Mitte Juni war eine Gruppe von über 30 Jüdinnen und Juden – großteils Angehörige der „Zweiten Generation“ – auf Einladung des Jewish Welcome Service‘ in Wien zu Gast. Zum Aufenthaltsprogramm mit meist umfangreichen Familien-Recherchen gehörte auch ein Empfang von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler im Wiener Rathaus.

Unter den Gästen, die aus Australien, Israel, den USA, England und Argentinien anreisten, befanden sich auch einige Mitglieder der „Reiss“-Familie, die von den Nazis vertrieben und in der Folge über die ganze Welt verstreut wurde. Etwa die Cousinen Marian Reiss-McKenna aus den USA und Rina Reiss aus Australien. Ihre Väter Georg und Gerhard mussten als 13-jährige aus Wien vor den Nazis fliehen. Nun haben die beiden Frauen einander in Wien zum ersten Mal im Leben getroffen. „Es ist“, sagte Rina, „wie eine verlorene Schwester wiederzufinden.“
Eine Cremeschnitte zur Erinnerung
Der aus Israel angereiste Tuvia Erez, erzählte über seinen Vater Yitzhak Reiss, der mit 19 den Nazis entkommen konnte: Mein Vater „verließ Wien, aber Wien verließ niemals ihn.“ Yitzhak liebte in seinen letzten Lebensjahren die Wiener Cremschnitte, und wenn er eine bekam, so teilte er sie in acht Teile, die er aufbewahrte und über einen Monat hinweg verspeiste. So, wie er es als Kind schon in Wien mit den sieben Teilen des wöchentlichen Apfelstrudels seiner Mutter getan hatte.
Neben dem Empfang im Rathaus standen u.a. eine Stadtrundfahrt, Besuche an der Shoah-Gedenkstätte im Ostarrichipark, im Palais Liechtenstein, im Serviten-Viertel sowie im Jüdischen und im Freud-Museum auf dem Programm. Darüber hinaus nutzten die meisten der Gäste, deren Eltern und Großeltern aus Wien fliehen mussten, ihren Aufenthalt zu umfangreichen Familien-Recherchen.


