Am 10. Dezember jährte sich die Abfahrt des ersten „Kindertransportes“ vom Wiener Westbahnbahnhof zum 85. Mal. Aus diesem Anlass besuchte die bekannte Publizistin Hella Pick Wien – um ihre Geschichte zu erzählen und das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien in Empfang zu nehmen. Auch einige andere Veranstaltungen in Wien erinnerten und erinnern an die Kindertransporte.
Hella Pick im Gespräch mit Julia Demmer, OeAD ERINNERN:AT, Leiterin des Zeitzeug:innen Programms ©Harald Klemm
Hella Pick ist wahrscheinlich eines der bekanntesten „Kindertransportkinder“. Die berühmte Publizistin und langjährige Journalistin beim britischen „The Guardian“ wuchs im Wien der 1930er-Jahre auf. Nach der Machtübernahme der Nazis gelang es der Zehnjährigen im März 1939 mit einem Kindertransport nach England zu entkommen. Bekannt wurde sie u.a. durch ihre Simon Wiesenthal-Biografie.
Anfang Dezember erzählte Hella Pick ihre Geschichte in Wien – bei Veranstaltungen im österreichischen Parlament sowie in der Britischen Botschaft. Im Wiener Rathaus nahm sie das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien aus den Händen von Bürgermeister Michael Ludwig entgegen. Ludwig nannte Pick „eine Antifaschistin, Zeitzeugin und Mahnerin, die nicht müde wurde und wird, auch jungen Generationen das ‚Niemals vergessen‘ nahezubringen“.
Ausstellung „Für das Kind“
Auch im Wiener Bezirkmuseum Döbling wurde an die Kindertransporte erinnert – mit der Ausstellung „Für das Kind“. Diese Wanderausstellung wurde 2014 von den Künstlerinnen Rosie Potter and Patricia Ayre gestaltet. Sie erinnert an jene rund zehntausend hauptsächlich jüdische Kinder und Jugendliche, die von Dezember 1938 bis August 1939 aus Deutschland, Österreich, der Tschechoslowakei und Polen mit fast 100 Zugreisen den Nazis entkommen konnten.
Anlässlich der Ausstellung erinnerte das Bezirksmuseum auch mit einer Matinee an die Kindertransporte. Dabei las Anna Wexberg-Kubesch aus ihrem Buch „Vergiss nie, dass Du ein jüdisches Kind bist“. Der Film „256.000 Miles From Home“ von Melissa Hacker wurde erstmals präsentiert, und Milli Segal, die Koordinatorin der Ausstellung, sprach zum Thema.
Das Thema „Kindertransport“ in der Arbeit des JWS
„Für das Kind“ wird demnächst in der Volkshochschule Wien Josefstadt (20.2. – 29.3. 2024) gezeigt. Und das Bezirksmuseum Josefstadt widmet sich dem Thema „Kindertransporte“ mit einer Schau über das Leben der Schriftstellerin Lore Segal, die im Dezember 1938 mit einem Kindertransport aus Wien den Nazigräuel entkam (ab 28.2.2024).
Das Thema „Kindertransport“ war in der Arbeit des Jewish Welcome Service stets präsent. Ab den 2000er-Jahren gewann es durch die Zusammenarbeit mit der Association of Jewish Refugees (AJR) und dem London Jewish Cultural Centre (LJCC) noch mehr Bedeutung. Seit 1999 besuchten viele der ehemaligen Kindertransport-Kinder auf Einladung des JWS Wien – einige zum ersten Mal nach Jahrzehnten.